Langsam wird es ungemütlich für die deutschen
Stromriesen. Eine Gruppe von Bundestagsabgeordneten,
Energieforschern und Umweltschützern hat die Konzerne wegen ihrer
Warnung vor einer vermeintlichen "Stromlücke" heftig
angegriffen.
Eon, RWE, Vattenfall und EnBW blockierten den
Umbau der Energieversorgung, heißt es in ihrem Aufruf, der der
Frankfurter Rundschau vorliegt. Hinter der Warnung stehe "die
Verteidigung marktbeherrschender Stellungen auf dem Strommarkt und
von Eigeninteressen" - die Konzerne fordern neue Kohlekraftwerke und
längere Laufzeiten für Atommeiler.
"Keine Stromlücke, aber eine
Handlungslücke"
Tatsächlich gibt es nach Ansicht der
Autoren "keine Stromlücke, aber eine Handlungslücke". Ein Blackout
drohe nur, wenn die von der Bundesregierung beschlossenen Schritte
nicht umgesetzt würden. Das sind, mit Zieljahr 2020, Stromeinsparung
um elf Prozent, Ausbau des Ökostrom-Anteils von derzeit 14 auf 30
Prozent sowie Verdoppelung der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) in der
fossilen Stromproduktion auf 25 Prozent. Bei KWK-Anlagen wird die
Abwärme nicht ungenutzt in die Umwelt gepustet, sondern zum Heizen
oder in der Industrie genutzt.
Die Unterzeichner, zu denen
Umwelt-Staatssekretär Michael Müller (SPD) und weitere
SPD-Abgeordnete, der CSU-Politiker Josef Göppel sowie die
Professoren Peter Hennicke (Wuppertal-Institut), Ernst von
Weizsäcker und Klaus Traube gehören, kritisieren auch die
bundeseigene Deutsche Energieagentur (Dena).
Die Dena hat
eine von den Energieunternehmen finanzierte Studie vorgelegt, in der
sie voraussagt, dass 2020 etwa 15 konventionelle Kraftwerke fehlten.
In dem Aufruf heißt es, die Agentur habe vorhandene Potenziale nicht
ausreichend berücksichtigt. Allein durch die Nutzung effizienter
Hausgeräte könnten in Deutschland sieben Großkraftwerke "weggespart"
werden.
"Preise müssten deutlich steigen"
Das Öko-Institut sieht ebenfalls keine Anzeichen für
einen baldigen Mangel an Elektrizität. Es hat die bis 2014
verfügbaren Handelsdaten der Strombörse EEX ausgewertet und urteilt:
Es gebe dort "keine Knappheitssignale…, die mit einer absehbaren
Stromlücke einher gehen müssten". Instituts-Experte Felix Matthes
erläutert: "Preise für langfristige Stromlieferungen müssten
deutlich steigen, da der Strom knapp würde. Das ist nicht der
Fall."
Er hält es bei Umsetzung der Energiepläne der
Bundesregierung für möglich, am Atomausstieg festzuhalten und bis
etwa 2020 auf den Bau zusätzlicher Kohlekraftwerke zu verzichten. Es
sei im Zweifel sinnvoller, alte Kohlemeiler länger zu betreiben
statt neue zu bauen, die dann 40 bis 50 Jahre lang viel CO2
ausstoßen, sagte Matthes der Frankfurter
Rundschau.
Fachleute erwarten, dass um 2020 die
CO2-Abscheide-Technologie marktreif ist, mit der die Kohle deutlich
klimafreundlicher gemacht werden könne. Dies solle abgewartet
werden, so Matthes.
Die Deutsche Bank erwartet, dass die
Stromerzeugung in fossilen Großkraftwerken deutlich teurer wird.
Ihre Energieexperten befürworten einen breiten Mix, in dem die
erneuerbaren Energien "auf einem sehr steilen Expansionskurs
bleiben" und die klimafreundliche Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) stark
zunimmt.
Die Hoffnung, die "Stromlücke" könne so verhindert
werden, teilen die Deutschbanker aber nicht. Sie werde aber
"verkleinert". Der Chef-Volkswirt der Bank, Norbert Walter, sagte
der Frankfurter Rundschau, dass ein Szenario, in dem
Deutschland aus der Atomkraft und der Kohle aussteige, sei "völlig
irreal" sei.
Walter sagte aber auch: "Es ist gut, dass die
Belastung der Umwelt durch den Emissionshandel einen Preis bekommt."
Die Kosten für die CO2-Zertifikate, die Kraftwerksbetreiber erwerben
müssen, würden "wegen der steigenden Klimagefahren in Zukunft wohl
merklich steigen".
Die EU plant, die Zertifikate ab 2013
komplett an Stromerzeuger und Industriebetriebe zu versteigern.
Derzeit bekommen sie die Lizenzen zu 90 Prozent kostenlos
zugeteilt.
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Copyright © FR-online.de
2008
Dokument erstellt am 20.04.2008 um 17:12:01 Uhr
Letzte
Änderung am 21.04.2008 um 09:35:35 Uhr
Erscheinungsdatum
21.04.2008