23. April 2008

Wirtschaft


Angebliche "Stromlücke"
Stromriesen am Pranger
VON JOACHIM WILLE

Langsam wird es ungemütlich für die deutschen Stromriesen. Eine Gruppe von Bundestagsabgeordneten, Energieforschern und Umweltschützern hat die Konzerne wegen ihrer Warnung vor einer vermeintlichen "Stromlücke" heftig angegriffen.

Eon, RWE, Vattenfall und EnBW blockierten den Umbau der Energieversorgung, heißt es in ihrem Aufruf, der der Frankfurter Rundschau vorliegt. Hinter der Warnung stehe "die Verteidigung marktbeherrschender Stellungen auf dem Strommarkt und von Eigeninteressen" - die Konzerne fordern neue Kohlekraftwerke und längere Laufzeiten für Atommeiler.

"Keine Stromlücke, aber eine Handlungslücke"

Tatsächlich gibt es nach Ansicht der Autoren "keine Stromlücke, aber eine Handlungslücke". Ein Blackout drohe nur, wenn die von der Bundesregierung beschlossenen Schritte nicht umgesetzt würden. Das sind, mit Zieljahr 2020, Stromeinsparung um elf Prozent, Ausbau des Ökostrom-Anteils von derzeit 14 auf 30 Prozent sowie Verdoppelung der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) in der fossilen Stromproduktion auf 25 Prozent. Bei KWK-Anlagen wird die Abwärme nicht ungenutzt in die Umwelt gepustet, sondern zum Heizen oder in der Industrie genutzt.

Die Unterzeichner, zu denen Umwelt-Staatssekretär Michael Müller (SPD) und weitere SPD-Abgeordnete, der CSU-Politiker Josef Göppel sowie die Professoren Peter Hennicke (Wuppertal-Institut), Ernst von Weizsäcker und Klaus Traube gehören, kritisieren auch die bundeseigene Deutsche Energieagentur (Dena).

Die Dena hat eine von den Energieunternehmen finanzierte Studie vorgelegt, in der sie voraussagt, dass 2020 etwa 15 konventionelle Kraftwerke fehlten. In dem Aufruf heißt es, die Agentur habe vorhandene Potenziale nicht ausreichend berücksichtigt. Allein durch die Nutzung effizienter Hausgeräte könnten in Deutschland sieben Großkraftwerke "weggespart" werden.

"Preise müssten deutlich steigen"

Das Öko-Institut sieht ebenfalls keine Anzeichen für einen baldigen Mangel an Elektrizität. Es hat die bis 2014 verfügbaren Handelsdaten der Strombörse EEX ausgewertet und urteilt: Es gebe dort "keine Knappheitssignale…, die mit einer absehbaren Stromlücke einher gehen müssten". Instituts-Experte Felix Matthes erläutert: "Preise für langfristige Stromlieferungen müssten deutlich steigen, da der Strom knapp würde. Das ist nicht der Fall."

Er hält es bei Umsetzung der Energiepläne der Bundesregierung für möglich, am Atomausstieg festzuhalten und bis etwa 2020 auf den Bau zusätzlicher Kohlekraftwerke zu verzichten. Es sei im Zweifel sinnvoller, alte Kohlemeiler länger zu betreiben statt neue zu bauen, die dann 40 bis 50 Jahre lang viel CO2 ausstoßen, sagte Matthes der Frankfurter Rundschau.

Fachleute erwarten, dass um 2020 die CO2-Abscheide-Technologie marktreif ist, mit der die Kohle deutlich klimafreundlicher gemacht werden könne. Dies solle abgewartet werden, so Matthes.

Die Deutsche Bank erwartet, dass die Stromerzeugung in fossilen Großkraftwerken deutlich teurer wird. Ihre Energieexperten befürworten einen breiten Mix, in dem die erneuerbaren Energien "auf einem sehr steilen Expansionskurs bleiben" und die klimafreundliche Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) stark zunimmt.

Die Hoffnung, die "Stromlücke" könne so verhindert werden, teilen die Deutschbanker aber nicht. Sie werde aber "verkleinert". Der Chef-Volkswirt der Bank, Norbert Walter, sagte der Frankfurter Rundschau, dass ein Szenario, in dem Deutschland aus der Atomkraft und der Kohle aussteige, sei "völlig irreal" sei.

Walter sagte aber auch: "Es ist gut, dass die Belastung der Umwelt durch den Emissionshandel einen Preis bekommt." Die Kosten für die CO2-Zertifikate, die Kraftwerksbetreiber erwerben müssen, würden "wegen der steigenden Klimagefahren in Zukunft wohl merklich steigen".

Die EU plant, die Zertifikate ab 2013 komplett an Stromerzeuger und Industriebetriebe zu versteigern. Derzeit bekommen sie die Lizenzen zu 90 Prozent kostenlos zugeteilt.





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Dokument erstellt am 20.04.2008 um 17:12:01 Uhr
Letzte Änderung am 21.04.2008 um 09:35:35 Uhr
Erscheinungsdatum 21.04.2008



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